20150111

DIE NATTER

Ich habe viel von Krieg geschrieben, von Täuschung und von Lügen.

 

Es gibt aber weitere Aspekte des Krieges, verschiedene Facetten.

 

Wir nehmen Krieg vordergründig auf zwei Arten wahr:

Da ist der Krieg, der gewonnen oder verloren wird, scheinbar gut oder schlecht, listenreich, durchtrieben oder ritterlich, heldenhaft geführt.

Aber immer, immer vermeintlich schicksalhaft, scheinbar entscheidend für Wohl oder Unheil. Heldentum starr und schmückend, die List als Salz, Reiz und Würze. Alles grade recht als Mittel zum Zweck, oder zweckdienlich als Mittel zum Überspielen des allgemeinen Scheiterns.

Dort ist der Krieg des einen. Das Schicksal, meist aus der Perspektive des Überlebenden, denn wer sonst sollte berichten? Der Krieg als Frage des Überlebens. Leben: das elementarste Gut.

Leben: ja. Sterben: nein!

Die Logik des Krieges aber ist, dass das Leben des einen nur durch den Tod des anderen sein darf:

leben = ja, sterben = nein

leben = nein, sterben = ja

Es ist also die Frage nicht ob gelebt wird, sondern lediglich welches Individuum inwiefern betroffen ist.

Ein Aufatmen - noch einmal entkommen - der/des einen, endgültige, schreckliche Gewissheit der Hinterbliebenen der/des Anderen. Wer lebt wird auch morgen überleben? Wer weiß - und - worin liegt der Unterschied?

 

leben : sterben = sterben : leben

 

So lautet die traurige Gleichung des Krieges um Leben und Tod, da hilft auch nicht sarkastisch-philosophisch zu meinen, dass dies ohnehin Gesetz des Lebens sei. Töten um zu essen ist vielleicht der einzig rechtfertigbare Grund für uns Menschen, um zu töten.

 

Krieg ist kein Gesetz, schon gar kein Gesetz des Lebens!

 

 

Lothar Sieber

Die Natter wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im Auftrag der SS entwickelt. Sie war ein Raketenflugzeug, welches senkrecht starten, in zehn- bis fünfzehntausend Metern Höhe alliierte Bomber abschießen und dann per Fallschirm zur Erde zurückkehren sollte.

Lothar Sieber war Pilot und hat sich beworben Testflüge mit der Natter durchzuführen. Er hat als erster Mensch einen Senkrechtstart mit einem Raketenflugzeug durchgeführt und nach einem mehr oder weniger erfolgreichen ersten Flug von wenigen Minuten wurde ein Teil seines linken Arms, seines linken Beins, sowie ein etwa vierzehn Zentimeter großes Stück seiner Schädeldecke eingesammelt und dann mit militärischen Ehren beigesetzt. Mehr war da nicht mehr.

Ein Sturz aus den Wolken, senkrecht, in einer Rakete aus Holz: Das Ende eines 22-jährigen Jungen, der bald Vater werden sollte. Das Flugzeug, eine Konstruktion aus Beton, Holz und Sperrholz und sein Pilot haben beim Aufschlag einen etwa fünf Meter tiefen Krater hinterlassen.

 

Was wäre geschehen, wäre es anders gekommen?

Es wäre nicht anders gekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der junge Pilot noch lange gelebt hätte ist in jedem Fall gering und ganz gleich, ob er gelebt hätte, es wäre gestorben worden.

Das wirklich Tragische an Siebers Schicksal ist, dass es ein durchaus gewollt herbeigeführtes Schicksal war. Die Bachem Ba-349 'Natter' wurde entwickelt um aus den Bomberbesatzungen - junge Burschen die auch nur leben wollten - das zu machen was sie aus Lothar Sieber gemacht hat: junges totes Fleisch. Die Bomber hätten wiederum ...

... leben = sterben, sterben = leben ...

 

Die triviale 'Logik' des Krieges.

 

 

Das Tragische ...

... ist nicht nur, dass es im Krieg fast ausschließlich Verlierer gibt. - Ich habe hier die zivilen Opfer noch nicht einmal erwähnt! - Tod, Angst, Schmerz, Verlust - und aber: Profiteure. Profiteure, 'Sinn bringender' Weise in Personalunion als Hetzer, Verursacher, Verschonte, Nutznießer. Krieg, das Bombengeschäft, ist immer ein Gewinn - für manche - bezahlt mit ..., von ... Es könnte ich sein, Du, Deine Frau, Dein Mann? Vielleicht mein Kind? Dein Kind? Dein Sohn? Deine Tochter? Deine Schwester? Dein kleiner Bruder? Eingezwängt in eine Kabine, die sich nicht mehr öffnen lässt, fünfzehn Kilometer über der Erde. Zur Erde, zum Boden rasend um zerschmettert zu werden? Ob das Ding nun Natter, F-16, Leopard oder Bismarck heißt, oder ob man mit einem Bauchschuss im Regen, im Schlamm liegend verblutet. Erfroren, ertrunken, in einem Erdloch verschüttet, oder vom Feuer verbrannt: Auch die Menschen die wir am allermeisten lieben. Dein Kind, mein Kind?

 

Kein schöner Gedanke? Doch, denn er ist tausendmal schöner als eine Realität, die zu bekämpfen es tatsächlich lohnt!

 

"Krieg ist nicht wann, Krieg ist wo" und nur weil wir ihn zufällig grade nicht vor der Haustür haben, heißt es noch lange nicht, dass er nicht ist und, dass wir ihn uns nicht ganz schnell wieder herholen könnten!

Wie viel Menschen erleiden jetzt das von dem wir meinen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg aus der Welt sei. "Was ist schon das 'kleine Sterben', nach unseren großen Kriegen?" - für die heute Betroffenen um absolut nichts weniger! Und mit den Nöten, Unterdrückungen und Kriegen, die wir wissentlich oder unwissend billigen oder sogar verursachen, schaffen wir das Potenzial verstörter, aggressiver Gegner, denen wir wiederum mit Krieg entgegentreten wollen.

Doch mit welcher Aussicht auf Erfolg?

Was ist Erfolg und was ist sein Preis? - Ich spreche hier von Krieg!

 

Krieg ist die Reinf !

Krieg ist die Reinform der Grausamkeit!

Mag es angemessen erscheinen, unter gewissen Bedingungen Krieg als Lösung zu missverstehen, so sei bedacht, dass keine Situation schlimmer sein kann als Krieg. Auch, wenn in Lockerbie zweihundertsiebzig Menschen starben. Im Zweiten Weltkrieg hat es Menschen vom Himmel geregnet! Das hat mit Zynismus nichts zu tun: Soviel könnte banaler Terrorismus, bei all seiner menschenverachtenden Grausamkeit, niemals ausrichten!

Krieg ist die Reinform der Grausamkeit!

Gefahr droht immer - und wer in Jugoslawien hätte erwartet was geschehen würde? Wer hätte vor 1932 erwartet, dass in Deutschland nicht die Arbeiter das Ruder übernehmen, sondern die NSDAP, an die Macht gehoben, die Welt in Blut versenken würde?

Ich bedaure jedes einzelne Opfer unendlich, aber wer sagt uns, dass uns der 'Kampf' gegen ein paar Terroristen, deren 'Erfolgsbilanz' in unseren Breiten, in der Regel nicht an ein starkes Pfingstwochenende im Straßenverkehr herankommt - ganz zu schweigen von der Opferbilanz von Stress, Zigaretten, Alkohol und schlechter Ernährung - nicht ruckzuck in den nächsten Krieg ziehen wird?

Dass wir uns in unseren nächsten Krieg ziehen werden, aber zu welchem Gewinn, denn:

Krieg ist die Reinform der Grausamkeit!

Was gibt uns die Gewissheit, dass nicht auch wir Täter sind? Woher nehmen wir unser Wissen? Aus welchem Erfahrungsschatz schöpfen wir?

Aus keinem! Fallen wir nicht immer wieder auf die Worte derselben Wölfe herein, nur weil sie einmal weiße und einmal schwarze Kreide fressen und mit verstellter Stimme lügen? Die Propagandamaschine ist ohnehin stets am Laufen und die Opfer sind klare Sache: Leute wie wir - wer sonst? - hüben wie drüben!

Wir müssen uns hüten, Krieg als vermeintliche Lösung zu akzeptieren, denn Krieg vereint das Schlimmste! Er macht Grausamkeit zum Ziel, degradiert Opfer zu Verlusten, pervertiert Mord zur Moral und Tod zum Geschäft.

Es gilt nicht Vorwände zu suchen Kriege zu rechtfertigen, es gilt Krieg nicht mehr zu tolerieren!

Krieg ist eine Scheinlösung unter Rechtfertigung ungerechtfertigter Opfer!

Terror mit Krieg zu bekämpfen, ist wie Schmutz mit Dreck zu bewerfen!

Krieg ist Terror und Terror ist eine Form der Kriegsführung!

 

Terror mit Krieg zu bekämpfen ist ein Vorwand und schlichtweg absurd!